Seit mehr als 30 Jahren schreiben Sie mit großem Erfolg Kinderbücher. 2017 haben Sie begonnen, auch für Erwachsene Krimis und Ratgeber zu schreiben. Aber auch Teenager finden Sie cool. Wissen Sie, warum?
Thomas Brezina: Nein, ich tu mir immer schwer, mich, mein Leben oder meinen Erfolg zu analysieren. Aber ich glaube, es liegt daran, dass ich nie geplant, sondern alle Chancen, die sich mir geboten haben, genutzt habe. Ich habe immer Ja gesagt.
Was die Popularität bei Teenagern betrifft, spielt sicher Ihre Präsenz auf Instagram, Facebook und TikTok eine wichtige Rolle. Ihre Auftritte dort kommen gut an.
Kürzlich haben mich drei Jugendliche auf der Straße gefragt: „Bist du der von TikTok?“ Da habe ich mir gedacht: Jetzt habe ich es geschafft. Die kennen mich nicht von meinen Büchern, nicht vom Fernsehen, sondern von TikTok. Wie großartig!
Haben Sie die sozialen Medien von Anbeginn genutzt?
Nein, auch das hat sich zufällig ergeben. 2017 habe ich über Nacht den Entschluss gefasst, eine Fortsetzung für Erwachsene von der Knickerbocker-Bande zu schreiben. Als ich wenig später daran zu schreiben begann, kamen mir auf einmal Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee ist. Da nahm ich mein Handy und postete auf Facebook: „Interessiert irgendjemanden, was aus Axel, Lilo, Poppi und Dominik zwanzig Jahre später geworden ist?“ Das Echo auf diese Frage war unfassbar, und zwar schon nach einer Stunde. Das hat mich sehr ermutigt. Zur selben Zeit begann ich auch, auf Instagram kleine Storys zu erzählen. Das ist genau meins. Und auch die kamen unglaublich gut an. So hat sich das alles entwickelt.
Sie lassen Ihre Fans ganz offen an Ihrem Leben mit Ihrem Mann Ivo und Ihrem Hund Joppy teilhaben. Das war nicht immer so. Früher galt Ihr Privatleben als Tabu.
Stimmt. Ich komme auch aus einer Zeit, als die Dinge nicht so einfach waren wie heute. Vor 30 Jahren gab es Leute, die mir andeuteten, dass man mir aus meinem Schwulsein einen Strick drehen könnte.
Und zwar wie?
Es hieß, es würde eine Liste der zehn prominentesten schwulen Menschen in Österreich in der Zeitung erscheinen, und darauf würde ich mich finden. Das war diese Enthüllungszeit, in der es vor allem in Deutschland zu solchen seltsam sensationellen Zwangsoutings kam. Das war nicht mein Weg. Ich habe in meinem Leben immer sehr lange Beziehungen mit meinen Partnern geführt und bin mit ihnen immer gemeinsam aufgetreten, wohin ich auch gegangen bin. Es kam mir nie in den Sinn, mich mit irgendeiner Scheinfreundin zu zeigen. Das war gut, denn mein Verhalten wurde von den Medien mit Respekt beantwortet. Wenn mich Journalist:innen auf mein Privatleben ansprachen, sagte ich immer: „Darüber will ich nicht reden“, und das wurde akzeptiert. Aber die Zeiten haben sich geändert. Vor sechs Jahren haben Ivo und ich beschlossen, in England zu heiraten. In Österreich war das ja damals noch nicht möglich.
Stimmt, gleichgeschlechtliche Ehen sind erst seit 2019 in Österreich erlaubt.
Jedenfalls hat uns dieser Tag beiden sehr viel bedeutet. Ein Jahr später fand die Präsentation der „Knickerbocker-Bande“ für Erwachsene – zu Mitternacht – in einer Buchhandlung statt, und es kamen 700 Leute, nur um gleich ein Exemplar zu ergattern. Das hat mich so gerührt, dass ich zu den Leuten gesagt habe: „Nach meinem Hochzeitstag ist das der schönste Tag meines Lebens.“ Am nächsten Tag hatte ich ein Radiointerview und wurde prompt gefragt, wen ich denn geheiratet hätte. „Ivo, meinen Mann“, antwortete ich. „Ist das jetzt ein Outing?“, fragte mich die Moderatorin. „Nein!“, sagte ich. „Wir leben im Jahr 2017. Kein Mensch muss sich heute mehr outen.“ Das war’s. Irgendwann später habe ich einmal etwas von Ivo und mir auf Instagram gepostet. Daraufhin gab es wahnsinnig viele liebe Reaktionen. Seit damals sind Fotos von uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Wir denken nie darüber nach. Aber ja, es berührt mich sehr, wenn immer wieder junge Menschen auf mich zukommen und sagen: „Es war wesentlich einfacher für uns, zueinanderzustehen, weil ihr beide euch in den sozialen Medien so selbstverständlich darstellt.“
Irgendwann, irgendwie ist der Kinderbuchautor Thomas Brezina auch zu einem Lebensberater für Erwachsene geworden. Wie das?
Ich habe einmal gepostet, dass mich die vier Worte „Auch das geht vorbei“ geprägt haben. Ich habe immer in dem Bewusstsein gelebt, dass die schlimmsten wie die schönsten Momente vorbeigehen. Dieses Bewusstsein hat mein Leben reicher gemacht und mich getröstet, wenn es einmal nicht so gut lief. Das habe ich den Menschen in den sozialen Medien erzählt – und wieder enorm viele Rückmeldungen bekommen. Daraufhin habe ich immer wieder berichtet, was mich glücklich macht und mir im Alltag hilft. So entstand die Idee, ein Buch darüber zu schreiben. „Tu es einfach und glaub daran“ war mein erster Ratgeber.
Wie haben Sie die Erkenntnisse und Lebensweisheiten erlangt, die Sie weitergeben?
Ich habe immer Leute an meiner Seite gehabt, die mich begleitet und beraten haben. Wie jeder Mensch habe ich jede Menge Krisen durchgemacht. Rückblickend weiß ich, dass ich aus all diesen Krisen unglaublich viel gelernt habe. Vor 13 Jahren habe ich eine wirklich schwierige, traurige Trennung erlebt. Danach war ich unfassbar allein. Diese Zeit war eine der schlimmsten meines Lebens. Heute weiß ich, dass ich all das erleben musste, um jetzt eine so glückliche Beziehung führen zu können.
Wenn man die Hölle einmal durchwandert hat, mag man einen Sinn darin sehen. Mittendrin aber sicher nicht.
Das ist der Grund, weshalb ich davon erzähle. Vieles von dem, was ich jetzt schreibe, sind Sachen, von denen ich mir gewünscht hätte, dass sie mir in verzweifelten Momenten jemand gesagt hätte. Wobei, ich will fair bleiben: Wahrscheinlich hat mir der eine oder andere auch etwas davon gesagt, und ich habe es nur nicht gehört. Egal, heute weiß ich, das Glück fällt nicht vom Himmel, sondern braucht sehr viel Anstrengung. Unsere Aufgabe ist es, ein erfülltes Leben zu führen. Darauf kommt es an.
Haben Ihre Eltern Ihnen das vorgelebt?
Ja! Mein Vater hat ein unglaublich erfülltes Leben gelebt. Er war nicht nur ein leidenschaftlicher Wissenschaftler und Arzt, er war auch wahnsinnig kunstinteressiert. Er hat mich schon als Fünfjähriger an der Hand genommen und ist mit mir ins Museum gegangen. Und auch meine Mutter war ein sehr lebensfroher Mensch.
Haben Sie Ihren Eltern schon früh gesagt, dass Sie schwul sind?
Ja, natürlich. Mein Vater hat okay reagiert, die Reaktion meiner Mutter war nicht sehr gut. Ich war enttäuscht, ich hätte mir Besseres von ihr erwartet.
Welche Folgen hatte das für Ihr Verhältnis?
Als ich mit meinem ersten Partner länger zusammen war, habe ich mich ziemlich zurückgezogen, weil ich keine blöden Bemerkungen hören wollte. Aber meine Mutter hat mich angerufen, und ich sagte ihr, dass ich mir mein Glück nicht zerstören lassen will. Das hat sie verstanden. Sie hatte zwar weiterhin ihr Thema damit, aber kurz vor ihrem Tod haben sich alle Vorbehalte komplett aufgelöst. Vor Weihnachten ging ich mit ihr essen und wollte ihr sagen, dass Ivo und ich zusammen sind. Bevor ich noch den Mund aufmachen konnte, fragte sie mich: „Hast du einen neuen Partner?“ „Wie kommst du darauf?“, fragte ich sie. „Weil es das ist, was ich mir wirklich für dich wünsche.“ Damit war alles geklärt. Das zeigt ihre Größe. Wenige Wochen später stand sie in der Früh auf, machte ihr Bett und fiel tot um. Sie war nicht krank und sie hat auch nicht gelitten. Sie wurde 91 Jahre alt.
Sie sind gerade 60 geworden. Als erklärter Hypochonder – wie kommen Sie mit dem Älterwerden zurecht?
Zu meinem Alter habe ich keinen Bezug.
Das heißt?
Es gibt ein biologisches und ein gefühltes Alter. Mein gefühltes Alter hat sich nie dramatisch verändert, und mein biologisches macht mir nicht zu schaffen. Ich muss auf Holz klopfen, ich bin total fit. Dass ich jetzt den 60er gefeiert habe, ist für mich immer noch unvorstellbar. Diese Zahl ist schon seltsam.
Herr Brezina, darf man Sie auch fragen . . .
1. . . ob es stimmt, dass Sie Tierarzt werden wollten?
Ich habe begonnen, Veterinärmedizin zu studieren, weil damals die Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ im Fernsehen lief. Ich habe sie geliebt. Nur, der Beruf des Tierarztes schaut in der Realität doch anders aus.
2. . . warum Sie sich Kontrollfreak nennen?
Wenn man etwas ernsthaft und mit Disziplin macht, baut man sich ein Gerüst um sich herum, in dem man sich dann sehr frei bewegen kann. Das ist der Trick. Ich bin weder verbissen noch verkrampft, aber ich brauche meine Ordnung und Ruhe rund um mich.
3. . . ob Sie sich ausschließlich mit kreativer Arbeit beschäftigen?
Seit ich 27 Jahre alt bin, weiß ich, dass ich mich nur darauf konzentrieren will. Ich hatte immer Menschen, die für mich verhandelt und Verträge abgeschlossen haben. Ich mache nur das, was ich wirklich kann.