Courchevel. Die ungarisch-israelische Familie Szőllős stellt bei der Ski-WM in Frankreich ein Trio – und sie sind eigentlich die letzten verbliebenen „Exoten“ im alpinen Skisport. Aufgewachsen sind Barnabás, Benjamin und deren Schwester Noa Szőllős aber in Österreich – vor allem im steirischen Murau und im Mostviertel. Der hyperaktive Barnabás Szőllős nimmt sich bei der WM tatsächlich nur zwei freie Tage. Israel kennt der Allrounder aus dem Urlaub, „im Sommer fliegen wir sicher wieder mal runter“.
Mit seiner Langhaarfrisur und dem in Blau, Grau und Weiß gehaltenen Israel-Rennanzug ist Barnabás Szőllős in Courchevel eine unverwechselbare Gestalt. Packt der Heavy-Metal-Fan sein fließendes Deutsch mit eindeutig steirischer Tonalität aus, ist endgültig klar, mit wem man es zu tun hat. „Da werde ich mich zu Hause in den Pool reinsetzen und aus dem Fenster ausseschauen“, sagte der 24-Jährige durchaus mit Vorfreude auf die vorhin erwähnte Freizeit am heutigen Ruhetag.
Ein Skistar für Nahost
Abgesehen davon kam und ist der in Budapest geborene Ungar ab Dienstag an jedem Tag zum Einsatz. Alpine Kombination, Abfahrtstraining, Super-G, Abfahrtstraining, Abfahrt, die technischen Bewerbe samt aller dazugehörigen Qualifikationen: Szőllős dürfte am Ende dieser WM unbestritten die meisten Pistenkilometer aller Starter bei dieser Ski-WM unter die Latten genommen haben. Und Szőllős ist dabei aus sportlicher Sicht gar nicht einmal schlecht dabei.
In der – vielerseits von Experten belächelten – Kombination belegte er den elften Platz. Im Super-G war er 34., bei der Abfahrt wurde er 37. (+4,43 Sek.). Bei den Winterspielen 2022 hatte „Barni“ als Kombi-Sechster schon die Medien in Israel auf sich aufmerksam gemacht. „Aber ich würde nicht sagen, dass es eine große Sportart dort ist“, lachte Szőllős. Allerdings, Edelmetall fasziniert doch im Nahen Osten: Schwester Noa, 18, gewann bei den Jugendspielen 2020 Silber und Bronze (Kombination, Super-G). Der Rummel sei damals „immens“ gewesen.
„Barni“ lebt in Murau
Die Möglichkeit, für Israel zu starten, eröffnete die Familiengeschichte. Vater Peter Szőllős, dessen Großmutter laut israelischen Medien Auschwitz-Überlebende war, fuhr in den 1990er-Jahren für Ungarn und trainierte danach das Nationalteam. Nach Zwistigkeiten mit dem Verband vollzog man den Nationenwechsel. Dabei gibt es in Israel laut Szőllős nicht einmal einen Skiverband. Das Olympische Komitee regelte diese „Formalität“.
Oft waren die Szőllős-Kinder nicht in dem Land, dass sie repräsentieren. „Ich war vor Olympia dort für sportliche Tests – und einen Urlaub“, sagte Barnabás. „Das Training geht ja im ganzen Jahr, Sommer und Winter, auf dem Gletscher.“ Trainiert wird hauptsächlich in Südtirol mit den Trainern des Kronplatz Racing Centers.
Gelernt haben die Geschwister das Skifahren in Österreich. „Zuerst waren wir im Kindergarten in Wien, dann in Murau, dort in der Skihauptschule, danach lebten wir in Waidhofen an der Ybbs. Eigentlich waren wir mehr in Österreich als überall sonst“, so Szőllős, der in Murau lebt.
Er, Noa und der ältere Bruder Benjamin, 26, wollen ihren Traum auf Skiern ausleben. Dabei würde sie das Aus für die Kombination bei Großereignissen allerdings hart treffen. „Für kleine Nationen ist sie die große Chance. Da sind weniger Läufer, können wir zeigen, was wir draufhaben.“ Mit Saalbach-Hinterglemm wartet 2025 quasi auch auf einen der letzten Exoten im industrialisierten Skisport eine Heim-WM. „Dort war ich schon oft, auch bei österreichischen Meisterschaften. Das wird lustig.“ Für den Steirer aus Ungarn, der für Israel fährt. (fin)
Medaillenspiegel:
Stand nach 6 Bewerben G S B Ges
1. Schweiz 2 1 1 4
2. Italien 2 0 0 2
3. Frankreich 1 0 1 2
Kanada 1 0 1 2
5. Österreich 0 2 3 5
6. Norwegen 0 2 1 3
7. USA 0 1 0 1