Junge Muslima folgte Ehemann in den Jihad – und lebte von Sozialleistungen

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Saal 212, gefühlt in einem der allerletzten Winkel am Wiener Landl. Schnell ist in dem winzigen Raum jeder Sessel besetzt. Stehplätze gibt es, wie der Richter hinweist, nicht. Jeglicher Publikumsüberschuss muss also wieder vor die Tür gehen. Im Inneren wird in der Zwischenzeit ein durchaus brisanter Fall verhandelt. Auf der Anklagebank sitzt eine recht kleine Frau, geboren im Jahr 1994. Sie trägt ein blaues Kopftuch. Es geht um Terrorismus. Und um Sozialbetrug.

Schon in jungen Jahren erlebte die Frau einige Schicksalsschläge. Ihre Eltern verstarben früh. Im Alter von 15 Jahren konvertierte die österreichische Staatsbürgerin zum Islam. “Warum?”, will der Richter wissen. Sie habe viele türkische Freunde gehabt, sagt die Frau. Danach geriet sie immer mehr in radikalislamistische Kreise, mitunter durch einschlägige Bücher, wird in der Verhandlung klar.

Für einige Zeit trug die junge Frau auch eine Burka. Spätestens 2016 lernte sie schließlich ihren nach islamischem Recht bereits dritten Lebensgefährten kennen. Mit ihm wanderte die Angeklagte im Jahr darauf nach Syrien aus und lebte für drei Jahre in einem Dorf, das von den jihadistischen Terroristen der Al-Nusra-Front kontrolliert wurde.

Bis dahin habe sie nur ein einziges Video gesehen, “wo jemand einen umbringen wollte”, erzählt die Angeklagte. Okay habe sie das nicht gefunden. Warum sie trotzdem ausgewandert sei, will der Richter wissen. Ihr Lebensgefährte habe Syrien als Reiseziel vorgeschlagen, und sie habe ihn nicht “verlieren” wollen. Wäre damals Amerika zur Debatte gestanden, “wären wir hingegangen, das war mir egal”.

Durch die Ex-Freundin zur Ex-Freundin

Nach einer schon geplanten Augenoperation in der Türkei seien die Angeklagte und ihr damaliger Lebensgefährte nach drei Versuchen mit Schleusern nach Syrien gelangt. Im Dorf sei den beiden ein Haus zugeteilt geworden. Sie will sich nur um den Haushalt und um ihr Kind gekümmert haben. Doch die Stimmung des Paares sollte bald kippen.

Es tauchte nämlich die Ex-Freundin des Mannes in Syrien auf. Die nun Angeklagte musste aus dem Haus ausziehen und sei bei einer syrischen Familie einquartiert worden. “Ich wollte bei ihm bleiben, aber es ging nicht”, erzählt die Angeklagte. Ihr Lebensgefährte und seine neu entfachte Liebe begaben sich dann sogar zurück nach Österreich, wo der Mann wegen seiner Umtriebe bei der Al-Nusra-Front rechtskräftig verurteilt wurde.

Die Angeklagte dagegen blieb noch in Syrien und vermählte sich neuerlich. Diesmal mit einem angeblichen Krankenpfleger der Al-Nusra-Front. Mit ihm bekam sie ihr zweites Kind. Erst als der syrische Bürgerkrieg dem Dorf immer näher kam, flüchtete die Frau in die Türkei. Das sei im Jahr 2020 gewesen. Nach einer sechsmonatigen Schubhaft und kurzer Zeit auf freiem Fuß wurde die Angeklagte schließlich nach Österreich abgeschoben und kam zwischenzeitlich in Untersuchungshaft.

Aber die Zeit bei der Al-Nusra-Front ist nicht der einzige Grund, warum jene Frau vor Gericht saß. Und da kommt der Zweitangeklagte ins Spiel.

Der türkischstämmige ÖBB-Mitarbeiter, Jahrgang 1988, ist ein Ex-Mann der Angeklagten und wusste als Einziger von der Reise nach Syrien. Und ihm hinterließ die junge Muslima vor ihrer Abreise ihre Bankdaten im Postkasten, damit er ihr sämtliche Sozialleistungen aus Österreich – insgesamt fast 17.000 Euro – über einen Mittelsmann nach Syrien überweisen konnte. Das hatte die längste Zeit auch funktioniert.

Jedenfalls bis die Angeklagte 2019 ihrer Schwester ihren Aufenthalt in Syrien verraten und diese die Behörden informiert hatte. Dann versiegten die Geldflüsse aus Österreich. Auch das könnte womöglich die spätere Flucht in die Türkei beschleunigt haben.

Aufenthaltsverbot für Ex-Lebensgefährten

Dieses Prozedere geben die beiden Angeklagten jedenfalls vollumfänglich zu. Laut ihrer Bewährungshilfe sei die mittlerweile dreifache Mutter “verlässlich” dabei, den finanziellen Schaden nach und nach zurückzuzahlen.

Die bis dahin unbescholtene Frau fasste wegen terroristischer Vereinigung, Terrorismusfinanzierung, krimineller Organisation und schweren gewerbsmäßigen Betrugs eine 24-monatige Freiheitsstrafe aus, davon acht Monate unbedingt. Für den mitangeklagten Ex-Mann setzt es eine bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Terrorismusfinanzierung. Beide waren umfassend geständig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Und was wurde aus dem Ex-Lebensgefährten, der mit der Angeklagten einst nach Syrien ausgewandert war? Dieser saß bis vergangene Woche in der Justizanstalt Stein ein. Der deutsche Staatsbürger wurde nun nach Deutschland abgeschoben und mit einem Aufenthaltsverbot auf österreichischem Boden belegt. Daher konnte er vor Gericht auch nicht als Zeuge aussagen. (Jan Michael Marchart, 14.2.2023)

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