Der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, hat angesichts baldiger westlicher Panzerlieferungen an die Ukraine mit einer Rückkehr russischer Truppen auf deutsches Gebiet gedroht. „Wir müssen zurückkehren, das ist unser Territorium”, sagte Kadyrow mit Bezug auf die sowjetische Besatzungszeit nach 1945 in einem Interview im russischen Staatsfernsehen, das am Mittwoch noch auf der Webseite der Propagandasendung “60 Minuten” abgerufen werden konnte.
Der deutsche Kanzler, Olaf Scholz, müsse für seine Äußerungen zu Russland „auf die Schnauze” bekommen, sagte der für seine Brutalität bekannte 46-Jährige, der mit eigenen Truppen in der Ukraine aktiv ist. Zuletzt hatte auch Kremlchef Wladimir Putin scharf kritisiert, dass bald erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Panzer auf russische Soldaten schießen würden. Er drohte damit, nicht nur Panzertechnik gegen die Angreifer als Antwort einzusetzen. Dass die Ukrainer schon seit vielen Monaten mit anderen deutschen Waffen kämpfen (etwa Panzerhaubitzen, Feldraketenwerfern, Panzerfäusten Luftabwehrraketen), erwähnte Putin indes nicht.
Gorbatschow ein „Verräter”
Nach Ansicht Kadyrows war der Abzug der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der ehemaligen DDR in den 1990er-Jahren (er wurde im Sommer 1994 abgeschlossen) ein historischer Fehler. Die dafür Verantwortlichen, etwa der im vorigen Jahr gestorbene sowjetische Ex-Präsident Michail Gorbatschow, hätten als „Verräter” bestraft werden müssen, so Kadyrow. Man müsse „langsam wieder dort (in Deutschland, Anm.) eindringen, damit wir sie jederzeit kontrollieren können”, so Kadyrow.
Noch in den 1980er-Jahren umfasste die „Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland” (Hauptquartier in Wünsdorf nahe Berlin) fünf Armeen mit etwa 20 Divisonen und zahlreichen anderen Verbänden, gesamt etwa 380.000 Mann, mehr als 5000 Kampfpanzer, über 1000 Kampfflugzeuge, zudem Atomwaffen.
Nur durch die Stationierung fremder Truppen in ihrem Land würden die Deutschen „ihren Platz in der Hierarchie verstehen”, sagte Kadyrow in dem bei Dunkelheit im Freien aufgenommenen Interview. Von einer möglichen Konfrontation mit der Nato oder einem drohenden Atomkrieg zeigte er sich unbeeindruckt. Davor habe er keine Angst. „Wir werden gewinnen und sie vernichten”, sagte er. Im Vorjahr hatte Kadyrow schon einmal den Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg „empfohlen”.
Bekannt brutale Kämpfer
Tschetschenische Soldaten in unbekannter Anzahl (wohl mehrere Tausend Mann) kämpfen in der Ukraine. Sie sind für ihren Mut und ihre Kampfkraft bekannt, aber auch für Brutalität. Tschetschenen waren etwa am Massaker in Butscha im Frühjahr 2022 beteiligt, wobei mehr als 450 Zivilisten umgebracht wurden. Es gibt zahlreiche Berichte über Übergriffe gegen Gefangene und Zivilisten, Plünderungen und Brandstiftungen. Bekannt ist, dass Tschetschenen große Mengen an erbeuteten Gebrauchsgütern, von Waschmaschinen über Fernseher und Pkw bis hin zu Traktoren, zurück in ihr Kaukasusland verbracht haben. Vor allem werden die auch aufgrund ihres Aussehens meist leicht identifizierbaren Kadyrow-Kämpfer immer wieder quasi als Feldpolizei und „Hüter der Kampfmoral” eingesetzt, indem sie zurückweichende oder fliehende russische Soldaten aufhalten und zurück ins Gefecht zwingen. Wiederholt wurden russische Soldaten dabei auch erschossen.
Kadyrow ist offenbar auch nach bald einem Jahr Krieg überzeugt, die Ukraine bis Jahresende zu besiegen und wichtige Städte wie Kiew, Charkiw und Odessa erobern zu können. Den ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj, forderte Kadyrow dazu auf, sich zu erschießen, weil er seinem Volk Leid und Tod gebracht habe. Dagegen werfen Menschenrechtler Kadyrow vor, mit Putins Segen in der russischen Teilrepublik Tschetschenien mit diktatorischer Macht zu regieren und seine Gegner foltern und ermorden zu lassen. Ihm werden auch Anschläge auf abtrünnige Tschetschenen in Europa zugerechnet, darunter 2009 in Wien.